2. Wie äußert sich eine nicht-dystrophe Myotonie?

Die Symptomatik der nicht-dystrophen Myotonien ist sehr komplex. Dies ist darauf zurückzuführen, dass nicht-dystrophe Myotonien zum einen eine Gruppe von Erkrankungen mit unterschiedlicher Symptomatik darstellen, zum anderen, dass selbst innerhalb einer Erkrankung die Symptome von Patient zu Patient unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.

Die Erkrankung macht sich meist bereits im frühen Kindesalter bemerk­bar. Die betroffenen Kinder fallen beispielsweise dadurch auf, dass sie sich aus einer liegenden Position nicht ohne Schwierigkeiten aufrichten können (5). Auch das Halten einer Tasse, eine vermeintlich selbstverständliche Tätigkeit, kann für Betroffene schnell zu einer Herausforderung werden. Oft ist es für Außenstehende unverständlich, wenn Betroffene an einer Treppe stehenbleiben und nicht hochkommen, obwohl sie ganz normal bis zur Treppe gelaufen sind. Oder sie bleiben beim Treppensteigen auf der halben Strecke stehen, weil der Muskel sich plötzlich "weigert", eine Bewegung auszuführen, und keine Willenskraft, sei sie noch so stark, das beeinflussen kann.

„...(er) selbst erklärte seinen Stillstand mit "Blockaden in den Waden", während ... sich (andere) an die Stirn tippten. ... Im gleichen Jahr hatte er einen Unfall auf dem ... Schulhof, bei dem er sich drei Wirbel derart verletzte, dass er acht Wochen lang keinerlei Sport machen durfte. Damals war dieser Unfall allen Sportlehrern unerklärlich...“ (Frau P. / Großraum Frankfurt)

Von ihrer Umwelt werden Myotonie-Patienten oft als bockig, langsam oder sogar faul, aber auch als schlichtweg unfähig, etwas Einfaches zu erledigen, wahrgenommen – zu Unrecht! Dies führt neben der körperlichen zu einer erheblichen psychischen Belastung, die die Symptome weiter verstärken können. Ein Teufelskreis.

Klassische Symptome sind: (2,3,4)

  • Steifheit der Muskulatur
  • Muskelschmerzen
  • Episodische Schwäche
  • Myotonie der Hand / Greifmyotonie
  • Augenschluss-Myotonie / Lid-Myotonie
  • Erwärmungsphänomen (Warm-up-Effect)
  • Muskelhypertrophie / ausgeprägt erscheinende Muskulatur
  • Paradoxer Griff

Trigger wie Kälte, Stress und bestimmte Nahrungsmittel können bestimmte Formen der Myotonie verstärken(1).

„...stand ich ... vor einer riesigen Treppe, die ich nicht imstande war hochzusteigen. Meine Eltern werteten das als „bockig“ und ich bekam für meine Sturheit einen Klaps...(Später kam ich) in orthopädische Behandlung...bekam Einlagen. Im ersten Schuljahr fiel im Sportunterricht auf, dass ich den Anforderungen überhaupt nicht gewachsen war...Nach einigen Jobverlusten ... „wegen zu langsam“, war ich nicht mehr tragbar. Man könne mir beim Laufen die Schuhsohlen besohlen. Die psychischen Folgen für das Erlebte haben mich sehr geprägt...“ (Frau M. / Großraum Leipzig)

Literaturangaben: (1) Hahn C., Salajegheh MK. (2016) Myotonic disorders: A review article, Iran J Neurol. 2016 Jan 5; 15(1): 46–53 | (2) Walsh R, Wang Y, Statland J, Bundy B, Barohn RJ, CINCH study group. The nondystrophic myotonias: genotype-phenotype correlation and longitudinal study. Clinical phenotype characterization [abstract]. Neurology 2007; 68 (Suppl 1): A297. | (3) Trivedi J, Statland J, Cannon S, Bundy B, Wang Y, Barohn R, et al. Nondystrophic myotonic disorders: assessment of myotonia and warm-up phenomenon in various subtypes [abstract]. Neurology 2008; 70 (Suppl 1): A110. | (4) Wang Y, Statland J, Walsh RJ, Brundy B, Barohn RJ, Herbelin L, et al. Clinical phenotype characterization of nondystrophic myotonias [abstract]. J Clin Neuromusc Dis 2008c; 9: 367. | (5) Khadilkar S.V. et al., Neuromuscular Disorders, Springer 2018, p. 311-317